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SHiPP – Worum geht es?

Menschen in Gefangenschaft gehören gemäss der Weltgesundheitsorganisation WHO und dem Bundesamt für Gesundheit BAG zu den Personengruppen mit besonders hohem Risiko einer Infektion mit HIV, dem Hepatitis B Virus (HBV) oder dem Hepatitis C Virus (HCV). Aktuelle Daten aus den am SHiPP teilnehmenden Institutionen der Haft zeigen auf, dass bei konsequentem Screening aller inhaftierten Personen auch in der Schweiz vereinzelt zuvor nicht bekannte HIV-Infektionen oder HBV-Infektionen erfasst werden können. Betreffend Hepatitis-C muss aufgrund aktueller Zahlen aus dem SHiPP davon ausgegangen werden, dass 1-13 Prozent der Personen im stationären Justizvollzug oder in Untersuchungshaft positive HCV-Antikörper aufweisen, d.h. Kontakt mit dem HCV gehabt haben. Davon haben zum Zeitpunkt der Erfassung im Rahmen einer Haft mindestens ein Drittel und je nach Institution bis über drei Viertel eine chronische Hepatitis C Infektion.

 

Inhaftierte Personen sind aus mehreren Gründen häufig von viraler Hepatitis oder einer HIV-Infektion betroffen, insbesondere als Folge eines Drogenkonsums, aktuell oder früher (selbst, wenn dies viele Jahre zurückliegt). Inhaftierte Personen stammen zudem oft aus Ländern mit einer hohen Verbreitungsrate der erwähnten Viren auch in der Allgemeinbevölkerung. Zudem waren sie häufig diversen Risiken während einer Migration ausgesetzt, inklusive im Rahmen früherer Inhaftierungen. Das Risiko einer Infektion durch diese Viren ist zusätzlich auch während einer Haft erhöht, da Übertragungen bei Drogenkonsum ohne sauberes Verbrauchsmaterial, bei ungeschützten Sexualkontakten oder beim unsterilen Tätowieren stattfinden können..

 

Die Initiative SHiPP richtet sich an die Leitung von Einrichtungen des Freiheitsentzugs sowie deren Gesundheitsdienste, die daran interessiert sind, die Prävention, weiterführende Abklärung, Behandlung und Nachsorge von Hepatitis B und Hepatitis C sowie einer HIV-Infektion im Freiheitsentzug zu verbessern. SHiPP unterstützt die Institutionen dabei, zusätzliche Präventions-, Abklärungs- und Behandlungsmassnahmen für virale Hepatitis und HIV-Infektionen als integralen Bestandteil der Gesundheitsversorgung nachhaltig einzuführen. Das SHiPP-Programm bietet Beratung bei der Entwicklung und Umsetzung für lokale Projekte an. Das Angebot von SHiPP richtet sich dabei ganz nach den individuellen Bedürfnissen und Möglichkeiten der Institutionen.

 

Bis Frühjahr 2025 konnten SHiPP-Projekte in 16 Institutionen (in 11 Kantonen) implementiert werden. Unter diesen ist die Projektphase in elf Einrichtungen abgeschlossen, für fünf dauert die Laufzeit noch bis anfangs 2026.

Nach Standortbestimmung und Evaluation einer ersten Phase bis Ende 2024 wird aktuell überdacht, wie die bisher gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem SHiPP der Unterstützung weiterer Haftanstalten dienen können.

Gute Praxis entlang des Behandlungspfades

Die Prison Research Group des Instituts für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern hat ausgehend von den Erkenntnissen und Erfahrungen aus dem SHiPP gute Praktiken in der Prävention, dem Screening sowie der Behandlung und Nachsorge von viraler Hepatitis und HIV-Infektionen in Schweizer Haftanstalten zusammengefasst.

 

Im Folgenden einige Auszüge aus dem Dokument (über den link unten abrufbar):

Kontext des Freiheitsentzugs

  • Das föderalistische System der Schweiz führt zu divergierenden Strukturen und einer uneinheitlichen medizinischen Versorgung in den Institutionen des Freiheitsentzugs.
  • Rahmenbedingungen, Gegebenheiten und lokale spezifische Herausforderungen sind entscheidend für die Implementierung von Projekten zur Prävention, Screening, Behandlung sowie Nachsorge von viraler Hepatitis und HIV-Infektionen.
  • Die Grösse und Ausrichtung der Institution sowie die Infrastruktur und personelle Besetzung des Gesundheitsdienstes spielen eine grosse Rolle bei der Umsetzung von neuen Projekten zwecks Verbesserung der Gesundheitsversorgung in Haft.
  • Merkmale der eingewiesenen Personen wie Sprachkenntnisse, kulturelle Eigenheiten, Misstrauen gegenüber der Institution und den Mitarbeitenden, chronisch psychische Probleme oder akuter Ausnahmezustand bei Eintritt beeinflussen die Akzeptanz von medizinischen Massnahmen, selbst wenn diese bei objektiver Betrachtung zum Wohl der inhaftierten Personen dienen.

Prävention und Screening

  • Drogenkonsumierenden Personen haben auch während der Haft die Möglichkeit einer Opioid-Agonisten-Therapie (OAT). Für Personen, welche während der Haft Drogen konsumieren, werden zwecks Minderung des Risikos einer Übertragung von HIV-Infektion oder viraler Hepatitis steriles Injektionsmaterial (inkl. Filter, Alkoholtupfer und Ascorbinsäure) bzw. Inhalationsröhrchen zur Verfügung gestellt.
  • Das Screening auf HIV-, HBV- und HCV-Infektion wird den inhaftierten Personen im Rahmen der medizinischen Eintrittsuntersuchung mittels Opt-out-Verfahren aufgeboten. Unter «Opt-out» wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass bei den zu untersuchenden Personen die Einwilligung für eine Testung vorliegt, es sei denn, dies werde explizit verneint.
  • Bei initialem Verzicht auf ein Screening bei Eintritt werden den inhaftierten Personen zu einem späteren Zeitpunkt weitere Möglichkeiten für eine Testung angeboten. Ziel ist ein möglichst vollständiges Screening aller inhaftierten Personen.
  • Je nach Grösse und Ressourcen des Gesundheitsdienstes wird für das Screening entweder ein Schnelltest oder eine venöse Blutentnahme durchgeführt. Die Institutionen können sich auch für auch für eine Kombination dieser Testmethoden entscheiden, z.B. Einsatz von Schnelltests, wo venöse Blutentnahmen nicht möglich sind.

Weiterführende Abklärungen und Nachsorge

  • Bei einem positiven Schnelltest folgt die übliche weitere Abklärung mittels einer venösen Blutuntersuchung.
  • Bei positivem Testresultat wird der zuständige Arzt / die zuständige Ärztin beigezogen.
  • Werden Personen direkt nach einem positiven Erstergebnis oder zum Zeitpunkt einer weiterführenden Abklärung in eine andere Institution überwiesen oder entlassen, werden die erforderlichen Informationen weitergeleitet bzw. mitgegeben.

Therapie und Nachsorge

  • Die Therapie wird auf Anordnung des zuständigen Arztes / der zuständigen Ärztin durchgeführt und überwacht.
  • Bei Verlegung oder Entlassung während der Behandlung werden den Betroffenen Informationen (inkl. über erforderliche Nachuntersuchungen) und Medikamente mitgegeben.
  • Bei Verlegung oder Entlassung werden, wenn immer möglich, der nachbetreuende Arzt / die nachbetreuende Ärztin informiert, insbesondere falls die Behandlung bei Verlegung bzw. Entlassung weitergeführt werden muss.

Dokumentation

  • Die Resultate der Testungen sowie alle unternommenen Schritte werden systematisch dokumentiert.

Kurzzitate von Mitarbeitenden in Institutionen der Haft im Rahmen von SHiPP-Projekten

 

- im Kontext der Untersuchungshaft

«Die Testbereitschaft hängt stark von der Art und Weise ab, wie die Fragen gestellt werden.»

« Bei gestressten Personen wird das Testen nach einigen Tagen erneut vorgeschlagen.»

« Schnelltests passen besser zu den Haftsystemen.»

 

- im Kontext des Strafvollzugs

« Bereits zuvor inhaftierte Personen haben oft kein grosses Interesse, noch einmal zum Arzt zu gehen.»

« 80 bis 90 Prozent sind bereit, sich testen zu lassen.»

«Engagement, Empathie und ein Gespür für den Menschen sind wichtig, um die inhaftierten Personen überzeugen zu können, sich testen zu lassen.»

Informationen

Über uns

Der Verein Hepatitis Schweiz

Der Verein Hepatitis Schweiz hat zum Ziel, virale Hepatitis in der Schweiz zu eliminieren. Er koordiniert das Netzwerk Schweizer Hepatitis-Strategie. Weiter unterhält er ein Kompetenznetzwerk zu viraler Hepatitis in der Schweiz mit einem Fokus auf die öffentliche Gesundheit. Der gemeinnützige Verein nimmt zu Fragen auf dem Gebiet der viralen Hepatitis Stellung und führt eigene Projekte durch.

SHiPP wurde vom Netzwerk Schweizer Hepatitis-Strategie entwickelt, welches von Hepatitis Schweiz koordiniert wird, und ist eines der Schlüsselprojekte zur Erreichung der Eliminationsziele.
www.hepatitis-schweiz.ch
 
Die Schweizer Hepatitis-Strategie

Die Schweizer Hepatitis-Strategie ist das wichtigste Projekt von Hepatitis Schweiz. Seit 2014 arbeitet ein Netzwerk von Freiwilligen an der Elimination von viraler Hepatitis in der Schweiz. Das Netzwerk besteht aus 80 Persönlichkeiten, darunter Fachleute aus dem medizinischen Bereich, Patientenvertreter, Vertreter aus der Wirtschaft, der Versicherer oder Gesundheitspolitiker. Das Netzwerk hat eine Strategie für die Elimination von viraler Hepatitis bis 2030 entwickelt. Als Leitlinie dienten die Eliminationsziele der Weltgesundheitsorganisation WHO, die diese erstmals 2016 veröffentlicht hat.

Steuergruppe SHiPP

SHiPP wird von einer Steuergruppe bestehend aus Fachleuten begleitet, die im Bereich Gesundheit und Freiheitsentzug tätig sind.

 

 

Kontakt

Claude Scheidegger
Projektleiter SHiPP
E-Mail

Hepatitis Schweiz
Schützengasse 31
8001 Zürich
E-Mail
Telefon: 058 360 51 66

Sponsoren und Partner

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